Prüfungsphase ohne Prüfungen?

Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen,

wir sehen uns in einer prekären Lage: Mehrere Prüfer:innen unserer Fakultät lehnen die Durchführung von Onlineprüfungen kategorisch ab. Mit Blick auf die aktuellen Infektionszahlen halten wir es daher für sehr wahrscheinlich, dass im Februar oder März in diesen Fächern keine Klausuren geschrieben werden. Bei 1-2 Prüfungen mag das noch gehen – es geht aber um deutlich mehr.

Insbesondere trifft das auf Prüfungen im Pflichtbereich des ersten und dritten Semesters, aber auch auf zahlreiche Wahlpflichtfächer, zu. Die verantwortlichen Prüfer:innen tragen sich mit dem Gedanken, diese Prüfungen im April oder Mai nachzuholen. Das ist nicht nur mit Blick auf das wenig prognostizierbare Infektionsgeschehen, sondern auch mit Blick auf die durch Baumaßnahmen deutlich verminderte Raumkapazität der Universität schon ein kühner Plan. 

Es mag Fächer geben, die eine Prüfung nur in Präsenz zulassen, weil Infrastruktur benötigt wird, die nur an der Universität vorliegt. Auf die überwiegende Mehrzahl der Fächer trifft das jedoch nicht zu.

Es wird zu viel

Unabhängig von der Frage der Durchführbarkeit würde damit auf jeden Fall parallel zum Lehrbetrieb eine zweite Prüfungsphase eingeführt. Das ist eine erhebliche Mehrbelastung: 3 – 4 Prüfungen holt man nicht parallel zum Lehrbetrieb nach – vor Allem nicht, wenn man einen Anspruch an das Ergebnis hat. Kommuniziert wird diese Situation meist, als würden nur eine oder zwei Prüfungen aus diesem Semester vorgezogen geschrieben werden. Dass es am Ende Studierende gibt, die dann im nächsten Semester 13 Prüfungen schreiben müssen, fällt dabei unter den Tisch. Dekan und Studiendekan schätzen den Mehraufwand durch diese zweite Prüfungsphase als zumutbar ein – wir nicht. 

Was auf uns zukommt

Die Folgen sind absehbar: Betroffene Studierende aus dem ersten Semester werden die Voraussetzungsmodule für den Wahlpflichtbereich nach §25 der Prüfungsordnung nicht rechtzeitig bestanden haben. Damit können sie ab dem 3. (WiPäd), 4.(WiWi) oder 5. (Wing/Winf) Semester nicht weiterstudieren und werden „Ehrenrunden“ drehen, was die Studienzeit verlängern wird. Wird dann irgendwann der Wahlpflichtbereich erreicht, wird dieser für lange Zeit stark aus- bzw. überlastet sein, da mehrere Jahrgänge auf einmal in den Wahlpflichtbereich starten. 

Auch Studierende höherer Semester, die bereits im Wahlpflichtbereich studieren, müssen alle Prüfungen, die jetzt nicht angeboten werden, parallel zum sonstigen Studium nachholen. Der ein oder andere mag das wegstecken – aber auch hier zeichnet sich am Ende eine Verlängerung der Studienzeit ab.

Verlängert sich das Studium, sind zuerst BAföG-Geförderte betroffen, die außerhalb der Regelstudienzeit keine Unterstützung mehr erfahren. Die Nichtanrechnung der “Corona Semester” auf die Regelstudienzeit hilft da wenig weiter, da kein Ausgleich für ein Nicht – Corona – Semester, in dem man überproportional durch zusätzliche Prüfungen belastet ist oder in dem man aufgrund des §25 nicht weiterstudieren kann, erfolgt.

Auch Studierende, die Unterstützung vom Elternhaus erhalten oder ihren eigenen Lebensunterhalt parallel zum Studium erwirtschaften, haben kein Interesse an einem verlängerten Studium.

Länger studieren bedeutet nicht nur mehr Geld auszugeben – es bedeutet auch, das man später als geplant beginnt, welches zu verdienen. Im Zweifel geht es dann um ganze Jahresgehälter. In der angedachten Vorgehensweise sehen wir deshalb auch eine fahrlässige finanzielle Schädigung der Studierenden.

Unsere Forderungen sind nicht überzogen

Es ist an dieser Stelle wichtig zu erwähnen und zu würdigen, dass sich andere Prüfer:innen der Fakultät sehr stark für die Durchführung von Onlineklausuren einsetzen und uns in unserem Anliegen unterstützen. Professor:innen wie wissenschaftliche Mitarbeiter:innen müssen für die Lehre weit mehr Zeit aufwenden als sonst. 

Wir Studierende haben ebenso einen deutlich erhöhten Aufwand durch ein kürzeres Semester und auch dadurch, dass Vorbereitung, Nachbereitung und Teilnahme an Onlinelehre ohnehin zeitintensiver sind, als bei Präsenzlehre. Den Lernerfolg in der regulären Prüfungsphase mit ausreichend Zeit zur Vorbereitung der Prüfung unter Beweis stellen zu können erscheint uns nicht als überzogene oder undankbare Forderung, sondern als Selbstverständlichkeit. 

Geht das überhaupt?

Die geplante Vorgehensweise verstößt aus unserer Sicht eindeutig gegen §6 (1) und (5) der Studienordnung, in denen es es heißt: 

“Das Studium ist modular aufgebaut. Es gliedert sich in ein viersemestriges Grundstudium und ein sechssemestriges Hauptstudium. Das Lehrangebot ist auf neun Semester verteilt. Das zehnte Semester ist für die Anfertigung des Forschungsseminars und für das Anfertigen der Diplomarbeit vorgesehen. “

Studienordnungen BA, MA und Dpl, § 6 (1)

“Die sachgerechte Aufteilung der Module auf die einzelnen Semester, deren Beachtung den Abschluss des Studiums in der Regelstudienzeit ermöglicht, ebenso Art und Umfang der jeweils umfassten Lehrveranstaltungen sowie Anzahl und Regelzeitpunkt der erforderlichen Studien- und Prüfungsleistungen sind den beigefügten Studienablaufplänen (Anlage 1: Studienablaufpläne) zu entnehmen.“

Studienordnungen BA, MA und Dpl, § 6 (5)
In Anlage 1 der SO sind Anzahl und Regelzeitpunkt der Module festgelegt

Studien- und Prüfungsordnung haben bindenden Charakter. Das erfolgreiche Zusammenwirken von Lehrenden und Lernenden basiert auf der Einhaltung dieser Regelungen. Studierende, die von diesen Regelungen abweichen, haben zu Recht Konsequenzen zu tragen – Prüfende etwa nicht? 

Wenn im großen Stil Prüfungen auf das nächste Semester verschoben werden, die in diesem Semester angeboten hätten werden müssen, ist ein betroffener Studiengang nicht mehr studierbar. Das bereitet nach unserem Verständnis nicht nur den Klageweg; es ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die dieses Semester allen Widrigkeiten zum Trotz ihre Lernleistung absolviert haben und diese Leistung unter Beweis stellen wollen. Die absehbaren Konsequenzen für die Außenwirkung unserer Fakultät bereiten uns zusätzlich Sorgen.

Wir fordern aus all diesen Gründen:

  • Alle Pflichtmodulprüfungen müssen auch in diesem Semester angeboten werden.
  • Alle Wahlpflichtmodulprüfungen, die nicht aus triftigen Gründen (zB. verspäteter Beginn der Lehrveranstaltung, speziell benötigte Infrastruktur) nicht angeboten werden können, müssen ebenso angeboten werden.
  • Wenn Prüfungen verschoben werden, müssen die Prüfungstermine so verteilt werden, dass der Mehraufwand neben der Teilnahme an den Lehrveranstaltungen für die Studierenden minimiert wird (und nicht innerhalb von 2 Wochen plötzlich 6 Prüfungen anstehen).
  • Die Möglichkeit, von der Prüfung im Nachhinein zurückzutreten, ist bei auf das nächste Semester verschobenen Prüfungen einzuräumen  – schließlich zielt diese Regelung auf das Abfangen von Reibungsverlusten in der stattgefundenen Onlinelehre ab. (Die Regelungen für das Corona-Semester sind nämlich aktuell nicht auf das nächste Semester ausgeweitet.)